Ausbildung statt Studium – Quickstart Sachsen+ unterstützt Studienzweifelnde : Datum:
Vom Hörsaal in den Betrieb: Ottow Geissler Dowansiba hat sein Elektrotechnik-Studium gegen eine Berufsausbildung getauscht. Beim Wechsel unterstützte ihn Quickstart Sachsen+. Das Projekt begleitet internationale Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher sowie Studienzweifelnde mit psychischen Belastungen.
Ottow Geissler Dowansiba war 2014 von Indonesien nach Deutschland gekommen, um als internationaler Studierender ein Bachelorstudium zu beginnen – soweit der Plan. Nach zwölf Semestern an der Hochschule Zittau in Sachsen hat er mehrere Prüfungen endgültig nicht bestanden, er wurde exmatrikuliert. Sein Ziel, ein akademischer Abschluss in einem technischen Bildungsgang, rückte außer Reichweite.
Der 27-Jährige brauchte eine neue berufliche Perspektive – und fand sie in einer praktischen Berufsausbildung. „Das Studium war für mich viel zu theoretisch. In der Ausbildung habe ich einen Praxisanteil von 80 Prozent und kann damit die Inhalte auch viel besser verstehen“, so Geissler Dowansiba. Seit September 2021 absolviert er eine Ausbildung als Anlagentechniker bei der Ploucquet GmbH. Er fühlt sich gut aufgehoben in der Textilmaschinenfirma mit 130 Mitarbeitenden in Zittau.
Unterstützung bei der Bewerbung
Auf seinem Weg vom Studium in die Ausbildung wurde er unterstützt durch Quickstart Sachsen+. Das Projekt setzt sich dafür ein, Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher als Auszubildende für klein- und mittelständische Unternehmen in Sachsen zu gewinnen. Wie Geissler Dowansiba den Übergang bewältigte, darüber sprach er am 18. Mai 2022 auf der Zwischenbilanztagung an der TU Bergakademie in Freiberg. Entscheidend waren die Hilfestellung des regionalen Quickstart Sachsen+ Mitarbeiters Jörg Bienert sowie eines Beraters der Agentur für Arbeit Lausitz, die Geissler Dowansiba im Bewerbungsprozess begleiteten: Lebenslauf erstellen, in Online-Stellenbörsen nach Ausbildungsplätzen suchen, Bewerbungsgespräch vorbereiten. Ohne diese Hilfe, sagt der ehemalige Studierende, hätte er den Wechsel nicht geschafft.
Der Übergang vom Studium in eine Ausbildung ist vor allem für internationale Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher wie Ottow Geissler Dowansiba von vielen Hürden geprägt: kulturelle Faktoren, Scham und das Gefühl des Scheiterns beim Studienabbruch, Loyalität und Verpflichtung gegenüber der Familie, rechtliche Gegebenheiten, Sprachbarrieren und Finanzierung. In Sachsen gibt es 17.000 internationale Studierende. Knapp die Hälfte der Bachelorstudierenden aus dem Ausland bricht das Studium ab. Dagegen liegt die Abbruchquote bei Studierenden mit deutscher Staatsangehörigkeit bei rund einem Viertel.
Viele Studierende sind psychisch belastet
Eine weitere Hürde für viele Studienzweifelnde sind psychische Belastungen. Eine Sozialerhebung der Studierendenwerke zeigt, dass psychische Erkrankungen bei Studierenden um 13 Prozent seit 2012 zugenommen haben. Laut Barmer Arztreport 2020 ist mehr als jeder 6. Studierende von psychischer Diagnose betroffen (17 Prozent). Die Dunkelziffer ist hoch. Die Coronapandemie hat diesen Trend deutlich verschärft. Expertenbefragungen haben ergeben, dass die Gruppe der Studierenden mit psychischen Belastungen besonders schwierig zu beraten ist – und ihren Weg in eine Ausbildung häufig nicht findet. Um das zu verhindern, setzt Quickstart Sachsen+ mit seiner Arbeit an.
„Viele Ratsuchende kommen zu uns und möchten Hilfe haben, wissen aber noch gar nicht so genau, in welchem Bereich sie eigentlich eine Lösung brauchen“, erklärt Katja Böhme, die als Beraterin der Agentur für Arbeit Leipzig mit Quickstart Sachsen+ eng zusammenarbeitet. Das Projekt verfügt über ein breites Netzwerk aus Beratungsstellen der Hochschulen, Studierendenwerke, Agenturen für Arbeit, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern sowie der Kammern der freien Berufe in Sachsen.
Neue Handreichung für Beratungskräfte
Die Arbeit der Beratungskräfte soll weiter gestärkt werden. Dafür wurde in der ersten Projekthälfte ein Beratungs- und Coachinginstrumentarium für Studienzweifelnde und -abbrechende mit psychischen Belastungen und einem besonders hohen Beratungs- und Orientierungsbedarf entwickelt. Eine neue Handreichung fasst Grundlagen und Methoden zum Thema Beratung und Coaching für diese Zielgruppe zusammen.
Ähnliches ist für die zweite Projekthälfte mit dem Ziel geplant, internationale Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher noch besser in eine betriebliche Ausbildung in Sachsen zu begleiten. Auch die Arbeitgebenden haben das Potenzial inzwischen erkannt. „Wir sehen zunehmend eine Veränderung zur Öffnung der Unternehmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland", so Kristin Kocksch vom Welcome Center Erzgebirge.
Das Projekt Quickstart Sachsen+ wird seit 2021 in der Initiative Bildungsketten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die TU Bergakademie in Freiberg ist für die Koordination zuständig.
Links
Quickstart Sachsen+ / Studienabbruch – und weiter?!
Steckbrief Quickstart Sachsen+ Bildungsketten-Projektlandkarte
Radiobeitrag: „Perspektiven nach Studienabbruch – Wie das Projekt Quickstart in Sachsen wirkt“
Informationen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren