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Reflexionsgespräche stärken Berufswahlkompetenz junger Menschen : Datum:

Reflexionsgespräche sind eine gute Möglichkeit, junge Menschen auf die Berufsfeld-Erprobung vorzubereiten. Schleswig-Holstein hat dieses innovative Instrument daher erprobt. Eine Begleitstudie zeigt deutlich, dass Schülerinnen und Schüler dadurch neue Impulse für die Beruflichen Orientierung erhalten.

Gruppe Jugendlicher beim Stärken-Parcours in Schleswig-Holstein
Stärken-Parcours in Schleswig-Holstein © Sinus – Büro für Kommunikation GmbH

In Schleswig-Holstein beginnt die Berufliche Orientierung an allen Gemeinschaftsschulen in der 7. Jahrgangsstufe mit dem Stärken-Parcours, den das Land 2021 flächendeckend eingeführt hatte. Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler handlungsorientiert-spielerisch an die eigenen Fähigkeiten und Stärken herangeführt werden. In einem von 2021 bis 2023 durchgeführten Modellvorhaben kombinierte das Land den Stärken-Parcours mit einem individuellen Reflexionsgespräch. Das einstündige, leitfadengestützte Reflexionsgespräch erfolgte im Anschluss an den Stärken-Parcours. Der Fokus der Einzelgespräche lag auf einer Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und ersten beruflichen Interessen. Reflektiert wurden dafür die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus Schule, Freizeit und Familie.

Die Gesprächsführung wurde unterstützt durch einen Leitfaden und reflexionsanregende Begleitmaterialien. Der Leitfaden gab dem Gespräch eine Struktur und ließ aber auch ausreichend Spielraum für die individuellen Themen der Schülerinnen und Schüler. Grundlage für das Gesprächskonzept waren die Ergebnisse der Interventionsstudie zur Potenzialanalyse ISPA 2018.

Erprobt wurde das Reflexionsgespräch in drei Modellregionen in Nordfriesland, Neumünster und Steinburg. Mit dabei waren Schülerinnen und Schüler, die in den Schuljahren 2021/2022 (Jahrgangsstufe 7) und 2022/2023 (Jahrgangsstufe 8) am Berufsorientierungsprogramm (BOP) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) teilgenommen haben. Im Rahmen des Modellprojekts haben sie anstelle der Potenzialanalyse das Reflexionsgespräch durchlaufen.

Für die wissenschaftliche Evaluation zuständig war ein Team um Thorsten Bührmann, Professor für Sozialwissenschaften und Forschungsmethodik an der Medical School of Hamburg. Gefördert wurden das Modellvorhaben und die Studie bis zum Ende des Schuljahrs 2022/2023 vom BMBF in der Initiative Bildungsketten.

Reflexionsgespräch überzeugt 

In Schleswig-Holstein konnte das einstündige Gespräch in vielerlei Hinsicht überzeugen. Darauf weist der Abschlussbericht von 2023 hin. In den Gesprächen ist es in aller Regel gut gelungen, am individuellen Stadium der Beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler anzusetzen und eine Weiterentwicklung ins nächste Stadium anzustoßen. So konnte z.B. ein Teil der jungen Menschen nach einer anfänglichen Ideenlosigkeit erste berufliche Ideen entwickeln. Das Gespräch konnte den Schülerinnen und Schülern verdeutlichen, wie ihre eigenen Stärken und Interessen mit den für eine Berufsausübung erforderlichen Fähigkeiten zusammenhängen. Dies wiederum führte zu einer besseren Kopplung der eigenen Person mit dem Thema der Beruflichen Orientierung. Auch hat sich in vielen Fällen ein neuer Blick oder auch eine größere Sicherheit bezogen auf die eigenen Stärken ergeben.

Die Gespräche wurden sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch von den durchführenden pädagogischen Fachkräften als besonders sinnhaft wahrgenommen. Es ließen sich positive Wirkungen auf Teildimensionen der Berufswahlkompetenz nachweisen. Die Gesprächsstruktur und die Arbeit mit einem Leitfaden haben sich bewährt. Dadurch ist es gelungen, eine ziel- und ergebnisorientierte und gleichzeitig „positiv-energetisierende“ Gesprächsatmosphäre herzustellen. Zudem war es möglich, flexibel auf die individuelle Ausgangslage der Schülerinnen und Schülern einzugehen.

Mehr Zeit für Abschlussphase einräumen

Die Schülerinnen und Schüler konnten Vorschläge zur Verbesserung der Reflexionsgespräche machen. So wurde z.B. der Wunsch nach Informationen zu Praktika und nach einer konkreteren Vorstellung von Berufsfeldern geäußert. Hier zeigte sich, dass bereits eine Aktivierung und Steigerung der Selbstverantwortung stattgefunden hat und der eigene Bedarf in Bezug auf Berufliche Orientierung reflektiert wurde. Um den weiteren Prozess anzustoßen, war insbesondere die Schlussphase der Gespräche wichtig. Diese sollte mehr Zeit im Gespräch erhalten, damit die Jugendlichen die Dokumentation der zentralen Ergebnisse und Erkenntnisse selbst vornehmen können. Im Gegenzug könnte beim Gesprächseinstieg der inhaltlich vertiefende Anschluss an den Stärken-Parcours in vielen Fällen kürzer gehalten werden.

Die Rückmeldungen der Fachkräfte bestätigten, dass für den Abschluss mehr Raum und Zeit erforderlich ist. Zudem gab es Anregungen, die Schlussphase bildlich zu gestalten oder konkrete Hilfestellung anzugeben. So haben einige Fachkräfte am Ende des Gesprächs den Jugendlichen  Informationsoptionen und -strategien mit auf den Weg gegeben, die sie zur weiteren Recherche über Berufe nutzen könnten, z.B. die Informationsangebote der Agentur für Arbeit.
 
Schleswig-Holstein bewertet das Reflexionsgespräch insgesamt entsprechend positiv und hebt hervor, dass sowohl die beteiligten Schülerinnen und Schüler als auch die Fachkräfte, die die Gespräche geführt haben, die Erfahrungen im Gespräch selbst und den subjektiv wahrgenommenen Nutzen in der Mehrheit als hoch bis sehr hoch bewerten. Die Evaluation betont in diesem Zusammenhang: „Die Zustimmungswerte der Schüler:innen bezüglich Sinnhaftigkeit und Nutzen stellen in dieser Höhe durchaus eine Besonderheit dar: Solch hohe Bedeutsamkeitswerte erreichen i.d.R. vor allem solche Maßnahmen, die integraler Bestandteil im Fachunterricht sind, von den Lehrkräften selbst durgeführt werden und eine Notenrelevanz haben (z.B. Bewerbungsschreiben im Deutschunterricht). Maßnahmen, die von außerschulischen Trägern durchgeführt werden, erreichen zwar durchaus hohe Werte bezogen auf Faktoren wie 'Spaß‘, ‚Abwechslung‘ etc., werden aber häufig weniger ernstgenommen und es wird ihnen damit tendenziell eine geringere Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit von Seiten der Schüler:innen zugeschrieben.“ (Evaluation Seite 59).

Positiv bewertet wird auch, dass das Reflexionsgespräch in besonderem Maße geeignet ist, den individuellen Prozess der Beruflichen Orientierung zu unterstützen. Es ist daher zu verschiedenen Zeitpunkten im Prozess einsetzbar und wertvoll.

Ausblick

Die Ergebnisse aus dem Modellvorhaben wurden den beteiligten Akteurinnen und Akteuren im Land Schleswig-Holstein und dem BMBF bereits vorgestellt und diskutiert. Auch in der Bund-Länder-Begleitgruppe der Initiative Bildungsketten erfolgte eine kurze Präsentation. Neue Konzepte für die Potenzialanalyse, die ein langes Reflexionsgespräch beinhalten, werden bereits auf Bundes- und Landesebene diskutiert bzw. in Nordrhein-Westfalen schon umgesetzt.

Downloads

Abschlussbericht zur Evaluation von Reflexionsgesprächen in der Beruflichen Orientierung in Schleswig-Holstein

Interventionsstudie zur Potenzialanalyse ISPA

Links

Stärken-Parcours in Schleswig-Holstein

Wirksame Potenzialanalysen – Fachbeitrag

Steckbrief des Landes Schleswig-Holstein