Fachtagung „Integration von Geflüchteten und Neuzugewanderten in Ausbildung und Arbeitsmarkt – ein Zwischenfazit“ : Datum: Ort: {0} Ort: Bonn, Bad Godesberg
Welche Ansätze der Integration sich bewährt haben und was künftig verbessert werden kann, darüber diskutierten rund 120 Teilnehmende auf der Fachtagung der Initiative Bildungsketten.
FACHTAGUNG
Integration bereichert unsere Gesellschaft
Dr. Ingo Böhringer, Leiter des Referats „Innovationen in der beruflichen Bildung“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), eröffnete in der Stadthalle Bonn-Bad Godesberg die Veranstaltung mit der Frage, welchen Ursprung der Begriff „Integration“ hat. Dieses Wort, so Böhringer, stammt von dem lateinischen Verb "integrare", und dieses bedeutet nicht etwa „aufnehmen“ oder gar „anpassen“, sondern vielmehr u.a. „ergänzen“ oder auch „erneuern“. So verstanden, beschreibt „Integration“ die Bereicherung unserer Gesellschaft durch zugewanderte Menschen. Vor dem Hintergrund, dass inzwischen jeder vierte Einwohner einen Migrationshintergrund hat, betonte Böhringer, wie wichtig es sei, aufgeschlossen zu sein, respektvoll miteinander umzugehen und gemeinsam mit den Herausforderungen zu wachsen.
„Dies gelingt uns auch: Rund ein Drittel der Geflüchteten ist bereits in den Arbeitsmarkt integriert und genauso viele können gut Deutsch sprechen“, führte Böhringer weiter aus. Es wurden viele Angebote für Geflüchtete geschaffen oder auf diese Zielgruppe angepasst. Böhringer wies auch darauf hin, dass auf dem Weg der Integration noch viel zu tun bleibe. „Jugendliche mit Migrationshintergrund schneiden nach wie vor schlechter in der Schule ab, verlassen die Schule häufiger ohne Schulabschluss und münden seltener in Ausbildung.“
Verschiedene Maßnahmen und Unterstützungsangebote durch die Bundesregierung
Mit dem Nationalen Aktionsplan Integration (NAP-I) will die Bundesregierung die Integration in Deutschland nach dem Grundsatz „Fordern und Fördern“ stärken. Das BMBF verantwortet im NAP-I die Themen „Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen“ und „Bildung und Ausbildung als Grundstein für gelingende Integration und Teilhabe“. Hier fördert das BMBF, unter anderem im Rahmen der „Initiative Bildungsketten“, Maßnahmen für Jugendliche mit Flucht- und Migrationshintergrund. Dazu zählen das Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)" das Mentoringprogramm „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“ (VerA), die Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration (KAUSA) und die Projekte für Zugewanderte der Initiative Bildungsketten.
Allein mit den Maßnahmen zur Berufsorientierung wurden bisher bereits über 45.000 Geflüchtete unterstützt. Hinzu kommen über 13.000 Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund, die im Rahmen von VerA während ihrer Ausbildung durch Expertinnen und Experten im Ruhestand begleitet wurden. Über KAUSA wurden 24.000 Jugendliche und 5.000 Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund beraten. Darüber hinaus, ergänzte Böhringer, werden unter dem Dach der Initiative Bildungsketten spezifische Maßnahmen gefördert, wie die Potenzialanalyse für Neuzugewanderte „2P – Potenziale und Perspektiven“.
Der Bund strebt an, die Initiative Bildungsketten über 2020 hinaus auszuweiten und zu vertiefen. Auch in dieser neuen Phase sollen Maßnahmen die Integration in den Beruf unterstützen sowie für eine bessere Transparenz und Qualität am Übergang Schule-Beruf sorgen und wichtige Elemente der Bildungsketten sein. Besonders im Blick haben sollte man dabei die Integration von geflüchteten Frauen.
„Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration – Welche Lehren lassen sich aus den Angeboten ziehen?“ – Fachvortrag von Dr. Elisabeth Maué
Die Integration junger Geflüchteter in Schule und Arbeitsmarkt ist für deren gleichberechtigte Teilhabe sowie die gesellschaftliche Akzeptanz von Zuwanderung entscheidend. Doch welche Faktoren tragen zu einer gelungenen Ausbildungs- und Arbeitsmigration bei? Da die meisten Zugewanderten berufsschulpflichtig sind, liegt ein besonderes Augenmerk auf dem System der beruflichen Bildung.
In einem Fachvortrag stellte Dr. Elisabeth Maué von der Universität Konstanz das Forschungsprojekt "RISE - Refugees and their early Integration in Society and Education" vor. Ein Forscherteam betrachtete frühe Integrationsverläufe Geflüchteter in Baden-Württemberg anhand der vollzeitschulischen berufsvorbereitenden Maßnahme VABO (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen). Ziel war es, die Übergänge nach der VABO-Klasse, die Deutschkompetenz, Bildungsaspirationen sowie weitere Merkmale der Integration zu erfassen.
Zentrale Fragestellungen und Ergebnisse der Studie
Folgenden Fragestellungen wurde unter anderem in der Studie in 60 VABO-Klassen an 22 Schulen nachgegangen und nach einem Jahr erneut gestellt (Wiederbefragungsquote 52%):
- Inwiefern stellt das System der beruflichen Bildung eine attraktive Option für neuzugewanderte Jugendliche und junge Erwachsene dar?
- Welche schulischen und beruflichen Aspirationen haben Sie?
- Wie stehen Sie mit Deutschen in Kontakt?
Die Studie erbrachte dabei unter anderem folgende Ergebnisse:
Die schulischen und beruflichen Bildungsaspirationen der Befragten passen zum System der beruflichen Bildung. Die meisten der befragten Jugendlichen streben einen Haupt- oder Realschulabschluss an und wollen - sofern ein Berufswunsch vorliegt - eine Ausbildung beginnen. Das Angebot des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf ist damit für die Teilnehmenden ein passendes Angebot, da es den Einstieg in Ausbildung erleichtern soll. Auch die Jugendlichen selbst bewerten es so und sehen eine hohe Übereinstimmung zwischen ihren Fähigkeiten, Interessen sowie der eigenen Person und dem besuchten Bildungsgang.
Die Kontakte zu Deutschen in der Schule sind aufgrund der Ausgestaltung des Angebots begrenzt, nehmen jedoch zu, wenn eine integrierte Beschulung erfolgt. Außerhalb der Schule weichen die Angaben jedoch kaum voneinander ab. Weitere Ergebnisse sowie das Studiendesign finden Sie in der Präsentation.
Insgesamt verdeutlicht der Vortrag, dass Angebote wie zum Beispiel VABO, den Teilnehmenden den Einstieg in Schule und Ausbildung zwar erleichtern, jedoch nicht ausreichen, um eine umfassende und dauerhafte Integration in Ausbildung und Beruf zu gewährleisten. Großen Einfluss auf eine erfolgreiche Integration haben die individuellen Voraussetzungen der Teilnehmenden, ihre Berücksichtigung in den verschiedenen Angeboten sowie eine kontinuierliche Begleitung über einen längeren Zeitraum.
Intensive Debatte bei der Podiumsdiskussion
Zum Abschluss der Fachtagung diskutierten Dr. Lena Arends, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Ralf Buchholz, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Judith Jünger, Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit, und Muhammet Karatas, KAUSA-Servicestelle Region Stuttgart, wie Integration gelingen kann und Angebote am Übergang Schule-Beruf besser gemeinsam gestaltet werden können.
Vielfältige Erfahrung als Zuwanderungsland
Frau Jünger, die beim Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit federführend für das Thema Jugendsozialarbeit in der Einwanderungsgesellschaft zuständig ist, betonte in der Diskussionsrunde, dass Deutschland bereits mehrere Phasen der Zuwanderung bewältigt hat. Letztendlich ginge es immer um die gleichen Fragestellungen, insbesondere der Frage nach Teilhabechancen.
Muhammet Karatas, Projektleiter der bei der IHK Region Stuttgart angesiedelten KAUSA-Servicestelle, fügte an, dass die meisten Betriebe sehr aufgeschlossen waren, was die berufliche Integration anbelangt. Wichtig sei, Unternehmen auch für mögliche Schwierigkeiten zu sensibilisieren. „Insgesamt“, so Karatas, „wird der Zuzug wirtschaftsseitig nach wie vor als Chance und soziale Verantwortung wahrgenommen und als Hilfe gegen den Fachkräftemangel.“
Gelungene Integration in Ausbildung und Beruf
Für eine schnelle und nachhaltige Integration in Ausbildung und Beruf sind für die Podiumsteilnehmenden verschiedene Faktoren entscheidend. Ralf Buchholz, im BMAS u.a. zuständig für Arbeitsmarktpolitik junger Menschen am Übergang Schule-Beruf, führte an, dass das Thema ressortübergreifend angegangen werden müsse. Eine gelungene Integration sei nur über Arbeit möglich und solle nachhaltig und langfristig angelegt sein. Lena Arends, im BMBF zuständig für das Thema Berufliche Orientierung für Zugewanderte, betonte, es wäre schon sehr viel getan und erreicht worden. Wichtig sei nun, die Maßnahmen zu systematisieren. Durch den Nationalen Aktionsplan Integration der Bundesregierung und eine verstärkte Abstimmung zwischen Bund, Land und Kommunen befinde man sich aber auf einem guten Weg. Judith Jünger ist insbesondere die „Projektitis“ ein Dorn im Auge. Es gäbe viel Wildwuchs und es sei notwendig, langfristig in die Infrastruktur zu investieren.
Umgang mit heterogenen Zielgruppen
Bei Geflüchteten und Zugewanderten handelt es sich um sehr heterogene Zielgruppen. Was muss beim Umgang mit heterogenen Zielgruppen am Übergang Schule-Beruf beachtet werden? „Entscheidend ist die soziale Herkunft und die Bildungsbiographie, nicht der Fluchthintergrund“, so Judith Jünger. Es müsse sowohl exklusive, das heißt spezielle (z. B. für Frauen), wie auch inklusive Angebote geben. Aus Karatas‘ Sicht ist ein gutes Netzwerk unerlässlich. Bewährt hat sich zudem, den Austausch unter Projekten zu fördern, damit ein Wissenstransfer gelingen könne. Das bestätigte auch Lena Arends, die sich ebenfalls dafür ausspricht, noch mehr von der Praxis zu lernen. Auch die Qualitätssicherung bei Projekten und Maßnahmen sei wichtig. „Man sollte sich immer fragen, was geht noch besser in den Maßnahmen.“
Fazit der Podiumsrunde: Integration gemeinsam gestalten
Alle Beteiligten waren sich einig, dass bereits sehr viel angeschoben wurde. Trotzdem sei es weiterhin wichtig, gemeinsam Angebote am Übergang Schule-Beruf zu gestalten und zu verbessern. Im Rahmen der Initiative Bildungsketten steht die bessere Verzahnung und Systematisierung von Maßnahmen von Bund und Ländern im Fokus. Mit den neu zu verhandelnden Bund-Länder-BA-Vereinbarungen ab 2021 soll ein weiterer Schritt getan werden. Ein wichtiges Handlungsfeld ist dabei die Integration von Geflüchteten und Zugewanderten.
VERTIEFTER AUSTAUSCH IN ACHT WORKSHOPS
In vormittags und nachmittags parallel stattfindenden Workshops hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sich intensiv miteinander auszutauschen. Durch fachliche Inputs und Gruppenarbeiten konnten die Teilnehmenden verschiedene Handlungsfelder zum Thema Integration vertiefen.
Workshop 1: Was kann Kompetenzfeststellung alles bedeuten?
Kompetenzfeststellung im Bereich Migration ist kein neues Thema. Durch den Zuzug von Geflüchteten 2015 und 2016 sind Verfahren zur Feststellung von Kompetenzen wieder mehr in den Fokus gerückt. In der Diskussion wurde deutlich, dass es einen großen Aufklärungsbedarf über die Unterschiede verschiedener Verfahren gibt.
Kompetenzfeststellung – was kann das alles sein?
Dieser Frage gingen Gabriele Braun und Carolin Kunert vom Bundesinstitut für Berufsbildung zu Beginn des Workshops nach. In der Programmstelle Berufsorientierung sind sie Ansprechpartnerinnen für das Thema Kompetenzfeststellung im Berufsorientierungsprogramm (BOP). Carolin Kunert machte deutlich, dass Kompetenzfeststellung kein definierter Begriff und nicht geschützt sei. Es gebe eine Vielzahl von Verfahren, die zu verschiedenen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Zielsetzungen zum Einsatz kommen. Die eingesetzten Methoden und Aufgabenstellungen der Verfahren überschneiden sich teilweise, so ähneln sich beispielsweise Vorgehensweisen in der frühen Berufsorientierung und in der Berufsvorbereitung. Anderseits gäbe es viele Unterschiede, so dass für „jeden Kontext individuell abgewogen werden muss, welches Verfahren sich eignet und ob es für den Anlass angepasst werden muss“, so Carolin Kunert.
Kompetenzfeststellungsverfahren für Geflüchtete
Seit dem Zuzug von geflüchteten Menschen 2015/2016 wurden Kompetenzfeststellungsverfahren für diese Zielgruppe entwickelt, bereits bestehende angepasst und überarbeitet. Je nach Anlass sind unterschiedliche Verfahren und Instrumente geeignet. Fokus des Workshops waren drei Arten von Kompetenzfeststellung – die Diagnostik zur schulischen Integration und Planung des Bildungsweges, die Entwicklungsorientierte Potenzialanalyse in der Berufsorientierung, und die Erfassung beruflicher Kompetenzen für die Eingliederung in Berufsvorbereitende Maßnahmen, Ausbildung oder Arbeit.
In Baden-Württemberg gibt es seit Januar 2016 das computergestützte Verfahren „2P I Potenzial & Perspektive für neu Zugewanderte“, das sich an Menschen im Alter von 10-20 Jahren richtet und an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eingesetzt wird. Sien-Lieh Saleh vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) stellte das Verfahren vor und wies auf die Vorteile hin: sprachreduziert und kulturfair, flexibel und bedürfnisorientiert durch das Baustein-Prinzip, einfach in der Durchführung und Auswertung. Die Lehrkräfte nutzen es, um geeignete Lernangebote für die schulische und berufliche Wegeplanung des jeweiligen Teilnehmenden auszuwählen. In der Praxis hat sich dieses Verfahren bereits bewährt. Die Rückmeldungen sind positiv. 84 Prozent der Lehrkräfte in Baden-Württemberg nutzen die Ergebnisse der computergestützten Verfahren für ihre Rückmeldegespräche. Das Verfahren aus Baden-Württemberg wird inzwischen auch in anderen Bundesländern eingesetzt.
Einen anderen Blick auf das Thema hatte Dr. Martin Koch vom Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung der Leibniz Universität Hannover. Er geht von der grundsätzlichen Überlegung aus, dass man Kompetenzen eigentlich nicht messen kann, zumindest nicht objektiv. Das Verhalten ist immer im jeweiligen Kontext zu betrachten. Martin Koch veranschaulichte dies an einem Beispiel: Stelle man einer Person eine konkrete Aufgabe, so wisse man nicht, ob diese die Aufgabe lösen möchte bzw. in der Situation verunsichert, überfordert, abgelenkt sei oder ob diese Person so antwortet, weil man es in dieser Situation so erwarte. „Kompetenzen sind somit immer normativ.“
Koch verdeutlichte seine Haltung mit Beispielen aus „komPASS³“, einem handlungsorientierten Potenzialanalyseverfahren, das in der Berufsorientierung zum Einsatz kommt und einen besonderen Fokus darauf legt, bei den Teilnehmenden Entwicklungsprozesse anzuregen. Bei „komPASS³“ durchlaufen die Teilnehmenden an drei Tagen Arbeitsproben, Lernprojekte und Tests, die durch geschulte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren beobachtet werden.
Wichtig sei es, sich möglicher Unterschiede von Kompetenzvorstellungen der Jugendlichen und den Kompetenzerwartungen des Verfahrens bewusst zu sein und diese im individuellen Gespräch zu thematisieren.
Geflüchtete bringen unterschiedliche Qualifikationen und berufliche Erfahrungen mit, darunter auch non-formale und informell erworbene berufliche Kompetenzen. Kristin Hecker vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung stellte vier Verfahren der beruflichen Kompetenzfeststellung für diese Zielgruppe vor, die insbesondere auf die Erfassung von informell und non-formalen beruflichen Kompetenzen abzielten:
- „Check.work“ ist eine bildgestützte Onlinebefragung mit dem Ziel, eine erste berufliche Beurteilung vorzunehmen und ggf. Maßnahmen für Geflüchtete mit Berufserfahrung abzuleiten: Welche Tätigkeit hat die Person gemacht? Wie gut kennt sie sich aus? Für Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte sowie für den/die Geflüchteten ist dieses Instrument hilfreich, berufliche Erfahrungen und Potenziale zu erkennen.
- „MYSKILLS“ von der Bundesagentur für Arbeit legt den Fokus dagegen auf die Erfassung beruflicher Kompetenzen in einem bestimmten Beruf. Es gibt 30 verschiedene Berufstests. Bei den 30 Ausbildungsberufen handelt es sich um Branchen, in denen es einen Mangel an Arbeitskräften gibt.
- Bei „ValiKom“ geht es um die Bewertung und Zertifizierung berufsrelevanter Kompetenzen. Das Verfahren richtet sich an Menschen ohne formalen Berufsabschluss (mit und ohne Migrationshintergrund) und wird vom Bundesbildungsministerium gefördert.
- Im Rahmen der Anerkennung spielt das vom Bundesbildungsministerium geförderte Projekt „Prototyping Transfer“ eine wichtige Rolle. Mittels Arbeitsproben und Fachgesprächen können die Antragsstellenden Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen, die sie nicht oder nur unzureichend durch schriftliche Dokumente belegen können.
Kristin Hecker empfiehlt, nicht nur eines dieser Verfahren anzuwenden, sondern diese Verfahren aufbauend zu weiteren Verfahren zu nutzen, was mit „check.work“, „MYSKILLS“ und „ValiKom“ gut möglich sei.
Fazit
Carolin Kunert empfiehlt, in einer Kompetenzfeststellung auch die Individualität und die Erfahrungen des jungen Menschen in den Blick zu nehmen. Die Evaluation des Berufsorientierungsprogramms hat gezeigt, dass individuelle Gespräche entscheidend für die Wirkung entwicklungsorientierter Kompetenzfeststellung sind. Gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund ist die individuelle Betrachtung wichtig, weil die Hintergründe besonders heterogen sind. Zudem sollten bei der Auswahl von Verfahren der Anlass und Kontext beachtet werden, unter denen die Kompetenzfeststellung stattfindet.
Workshop 2: „Wie gelingen Übergänge? Notwendige Strukturen und Abstimmungen.“
Gute Beispiele aus verschiedenen Regionen zeigen, dass flexible Wege zur Bildung tragfähiger regionaler Strukturen und das persönliche Engagement der Beteiligten den Übergang in Ausbildung für Geflüchtete und Neuzugewanderte maßgeblich unterstützen können.
Im Workshop „Wie gelingen Übergänge? Notwendige Strukturen und Abstimmungen.“ erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in drei Projekte zur Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Arbeitsmarkt in unterschiedlichen Regionen.
Andrea Behrends, Projektleiterin und Beraterin in der landesweiten KAUSA Servicestelle Brandenburg sowie Susanne Dalkmann, Leiterin der KAUSA-Servicestelle Märkische Region, stellten die Arbeit der KAUSA-Servicestellen mit unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten vor. Markus Saxinger vom Zentrum Schule und Beruf gab Einblicke in das Projekt „Bremer und Bremerhavener IntegrationsNetz (bin)“.
KAUSA-Servicestellen als regionale Anlaufstellen
Die KAUSA Servicestelle Brandenburg bringt sich aktiv in die Netzwerke der Region ein, z.B. zur Erarbeitung von Integrationskonzepten. Das Beratungsteam bietet Erstberatung, Berufsorientierung und Verweisberatung an, die gezielt auf die Bedarfe der Jugendlichen und die Angebote in der Region abgestimmt sind. „Die Oberstufenzentren, Vereine und Integrationsklassen dienen als Treffpunkte mit den Jugendlichen. Die Kontaktaufnahme ist aber erst dann möglich, wenn die Sprachkenntnisse entsprechend fortgeschritten sind“, nannte Andrea Behrends eine der zentralen Herausforderungen.
Susanne Dalkmann präsentierte das Modell zur Zusammenarbeit mit den Berufskollegs in der Region Hagen. Im Rahmen der „Übergabetage“ berät die KAUSA-Servicestelle gemeinsam mit der Klassenleitung und den zuständigen Berufsberaterinnen und Berufsberatern der Agentur für Arbeit über berufliche Perspektiven für jeden Jugendlichen. Ziel des Modells ist es, jedem Jugendlichen im Übergangsbereich Schule-Beruf die nötige individualisierte Unterstützung zu bieten. „Wir wissen über jeden, wo er oder sie bleibt und nach Bedarf können passgenaue Unterstützung angeboten und somit schnell Perspektiven geschaffen werden“, erläuterte Susanne Dalkmann das Modell.
Bessere Koordination durch Bremer und Bremerhavener IntegrationsNetz
Markus Saxinger vom Zentrum für Schule und Beruf in Bremen präsentierte die Arbeitsschwerpunkte des Projektes „Bremer und Bremerhavener IntegrationsNetz (bin)“. „In einer Situation, in der die Zuständigkeiten fragmentiert sind und das Umfeld sehr komplex, arbeiten wir daran, die Übergänge zu gestalten. Allen, die arbeiten möchten, wollen wir diese Möglichkeit bieten“, so Markus Saxinger zu der Zielsetzung des Integrationsnetzes. Zweimal im Jahr kommt der Begleitausschuss des „bin“ zusammen, um die Koordination in der Region zu gewährleisten. Die regelmäßige enge Zusammenarbeit aller relevanten Institutionen und die dadurch „kurzen Dienstwege“ haben sich bei der Lösung vieler Probleme bewährt.
Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden in einer kurzen Reflektionsrunde zu den eigenen Arbeitsstrukturen, Abstimmungsprozessen und möglichen Förderlücken aus. Die regen Diskussionen setzten sich in drei Arbeitsgruppen zu Herausforderungen, Gelingensfaktoren und Visionen für regionale Bildungsstrukturen fort.
Strukturelle Herausforderungen im Übergangsbereich
Die Teilnehmenden führten an, dass die Vielzahl an Maßnahmen, Projekten und Trägern im Bildungs- und Übergangsbereich zeitweise an einen Flickenteppich erinnere, was die Kooperationen und Abstimmung für alle Beteiligten erschweren würde. Häufig sei hierdurch auch eine Wettbewerbssituation in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen entstanden, die Interessenkonflikte berge. Als weitere Herausforderungen nannten die Teilnehmenden die regionalen und personellen Strukturen in den Kommunen und Behörden, wie beispielweise den Fachkräftemangel im pädagogischen Bereich, kurze Projektlaufzeiten und befristete Arbeitsverträge. Die Kontinuität der Aktivitäten und Angebote und die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse sei dadurch erschwert. Zum anderen sehen die Teilnehmenden das komplexe Aufenthaltsrecht und die damit verbundenen verschiedenen Duldungsstati als weitere Herausforderung bei der Integration von Geflüchteten und Zugewanderten.
In der Praxis sind die Sprachkenntnisse, psychische Verfassung, Lernfähigkeit, Bildungsniveaus und Erwartungen der Jugendlichen oft sehr unterschiedlich. Daher müsse die Verschiedenartigkeit des Individuums ebenso berücksichtigt werden.
Die Teilnehmenden tauschten sich zudem über die Frage der Integration in Regelangebote versus gezielte Angebote für die Geflüchteten aus.
Gelingensfaktoren für erfolgreiche Netzwerkstrukturen und Kooperationen
Als einen Gelingensfaktor für die erfolgreiche Integration von Geflüchteten sahen die Teilnehmenden die Qualität der unterstützenden Netzwerke. Ein regelmäßiger und zielgerichteter Austausch im Netzwerk, gute Kommunikation und Transparenz zwischen den Netzwerkpartnern, die Verlässlichkeit und Vertrauen schaffe, zeichne ein erfolgreiches Netzwerk aus. Förderlücken können nur dann entdeckt und geschlossen werden, wenn es einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und Maßnahmen gäbe. Die Evaluation der Netzwerkarbeit und offene Erfahrungsaustausche wären entscheidend für die Qualität der Netzwerke. Durch die Institutionalisierung und das Wissensmanagement in den Netzwerken würde die Nachhaltigkeit der Ergebnisse ermöglicht.
Vision für gute strukturelle Bedingungen
Die Qualität der Bildungsangebote und die Zugangsmöglichkeiten bestimmten die Diskussion einer Arbeitsgruppe. Die Teilnehmenden entwickelten eine Vision für gute Rahmenbedingungen zur Unterstützung der Integration von Geflüchteten und Zugewanderten. Migrationsgesellschaftliche Öffnung der Bildungsinstitutionen und Strukturen, die keine Ausgrenzung fördern, sondern Ressourcen zur Verfügung stellen, bilden den Grundstein dieser Bedingungen. Diskriminierungskritische, diversitätsbewusste Bildung und qualitativ hochwertige Deutschkurse würden benötigt, um hierbei eine angemessene Unterstützung zu leisten. Die nicht ausreichenden Sprachkenntnisse, vor allem der schriftlichen Sprache, sei weiterhin eine große Herausforderung.
Zudem würden statusunabhängige Angebote, eine höhere Flexibilität der angebotenen Maßnahmen und ein intensiveres Nutzen der Ermessensspielräume der Beratenden in jedem Einzelfall für passgenauere Unterstützung sorgen. Als weiteren Punkt nannten die Teilnehmenden, dass das System regelmäßig analysiert und angepasst sowie die Kooperation der Akteure ausgebaut werden müsse, um den oft punktuellen Blick auf die Herausforderungen zu umgehen. Nur gemeinsam könne diese komplexe Aufgabe gelingen.
Workshop 3: Unterstützung und Beratung von Unternehmen bei der Integration von Geflüchteten
Wie können Unternehmen für die Ausbildung Neuzugewanderter gewonnen und während der Ausbildung unterstützt werden? Wo liegen die Herausforderungen und welche Erfolgsfaktoren können definiert werden? Diese und weitere Fragen diskutierten die Teilnehmenden zusammen mit Expertinnen und Experten und waren sich einig: Es gibt nicht DIE Strategie. Jedes Unternehmen, jeder Auszubildende muss individuell beraten und unterstützt werden – nur so kann erfolgreiche Integration funktionieren.
Moderatorin Sarah Pierenkemper vom Institut der deutschen Wirtschaft betonte in ihrer Einführung die Dringlichkeit einer passenden Unterstützung der Unternehmen für eine gelingende Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Arbeit.
In kurzen Inputs stellten die Referentinnen Mareike Ziegler von der IHK München und Oberbayern, Gunda Fischer vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) und Yvonne Salewski von der KAUSA-Servicestelle Region Hannover drei Projekte vor, die Unternehmen bei der Gewinnung und Ausbildung von Geflüchteten unterstützen.
Vorstellung erfolgreicher Unterstützungsformate
Geflüchtete und Neuzugewanderte über eine Berufsausbildung zur Fachkraft zu qualifizieren, ist mit Blick auf den künftigen Fachkräftebedarf unverzichtbar. Mareike Ziegler von der IHK München stellte ihre Erfahrungen aus den Beratungsgesprächen mit Unternehmen vor und machte deutlich: „Wir müssen neue und zielgruppenspezifische Wege in der Berufsausbildung gehen, damit die Integration in Ausbildung und Beruf erfolgreich gelingt“. Die IHK für München und Oberbayern setzte gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, der Landeshauptstadt München und den ansässigen Unternehmen mit dem IHK Kombimodell ein neues Format zur dualen beruflichen Ausbildung auf. Ziel ist es, die Potenziale der Jugendlichen zu nutzen und durch eine gezielte Auswahl und langfristige Betreuung, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.
„Die Integration von Geflüchteten in Deutschland wird nur dann gelingen, wenn den Menschen der Weg in unser Beschäftigungssystem geöffnet wird“, sagte Gunda Fischer vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb). Dies sei ein komplexer Prozess. Sprachschwierigkeiten und kulturelle Unterschiede spielen dabei ebenso eine Rolle wie die rechtlichen Regelungen, die es zu berücksichtigen gilt. Auch das Angebot an Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten präsentiert sich aus Sicht der Betriebe nicht immer übersichtlich. Das Projekt „Betriebliche Begleitagentur bea-Brandenburg“ leistet einen Beitrag zur betrieblichen Integration und Fachkräfteentwicklung von Geflüchteten. Es verfolgt das Ziel, kleine und mittlere Unternehmen für die strategische Option der Beschäftigung, Ausbildung und Qualifizierung von Geflüchteten zu sensibilisieren. Angesichts der demografischen Entwicklung in Brandenburg kann die Gruppe der jungen Geflüchteten einen besonderen Beitrag für den hiesigen Fachkräfteerhalt leisten.
Die KAUSA-Servicestelle Region Hannover hat zur Aufgabe, mehr Menschen mit Migrationshintergrund für eine duale Ausbildung zu begeistern und sie auf dem Weg dorthin zu unterstützen. Sie bietet Informationen, Beratung und Unterstützung rund um das Thema Ausbildung an. Yvonne Salewski berichtete von ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. „Eine intensive Vorbereitung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen baut Vorurteile und Ängste ab“. Die individuelle und vertrauensvolle Begleitung der Unternehmen und der Auszubildenden während der Ausbildung kann ein Gelingensfaktor sein. Dazu bietet die KAUSA-Servicestelle den Ausbilderinnen und Ausbildern verschiedene Austauschformate an, so z.B. ein Ausbilder-Frühstück oder thematische Stammtische.
Herausforderungen und Best Practice im Austausch
In anschließenden Gruppenarbeiten tauschten sich die Teilnehmenden gemeinsam mit den Expertinnen über Herausforderungen und Bedarfe für die Unterstützung und die Beratung von Unternehmen aus. Was brauchen Unternehmen für eine erfolgreiche Integration von Geflüchteten? Welche erfolgreichen Unterstützungsmaßnahmen gibt es bereits? Und was fehlt noch bzw. wo wird noch mehr gebraucht? Darüber diskutierten die Teilnehmenden intensiv und teilten ihre Erfahrungen, gute Praxis-Beispiele, aber auch Herausforderungen oder innovative Lösungsansätze.
Als besondere Herausforderungen sahen die Teilnehmenden vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen und die fehlenden Sprachkenntnisse (insbesondere in der Fachsprache). „Es gibt zu große regionale Unterschiede, z.B. wird in Bayern keine Ausbildungsduldung erteilt. Andere Bundesländer sind da kulanter“, äußerte sich ein Teilnehmender. Auch die Mobilität, die Wege zur Berufsschule und in die Unternehmen wurden als Herausforderung gesehen. Die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel in den ländlichen Gebieten sei nicht ausreichend.
Weitere Herausforderungen, die benannt wurden, sind die hohe Zahl an Ausbildungsabbrüchen und die fehlende Selbsteinschätzung der Jugendlichen zu ihren Kompetenzen und Qualifikationen. Hier haben die Teilnehmenden gute Lösungsansätze vorgestellt: So ist beispielsweise die individuelle und persönliche Begleitung in der Ausbildung eine Möglichkeit, einen möglichen Ausbildungsabbruch zu verhindern. „Die Assistierte Ausbildung ist für die Geflüchteten ein sehr gutes Instrument, das sollte mehr im Fokus stehen“, ergänzte eine Workshop-Teilnehmerin.
Weitere wichtige Unterstützungsinstrumente seien ein aktives und stabiles Netzwerk, gute flächendeckende Sprachkurse und Austauschforen für Unternehmen, Mentorinnen und Mentoren. Was fehlt, wäre eine Übersicht zu den laufenden Sprachkursen in den Regionen.
Fazit
Es gibt mittlerweile viele positive Beispiele, wie junge Geflüchtete und Neuzugewanderte erfolgreich ihre Ausbildung absolvieren und abgeschlossen haben. Diese können anderen, noch unentschlossenen Unternehmen, positive Impulse vermitteln.
Workshop 4: Verzahnung von Sprach- und Fachlernen der Beruflichen Orientierung und Vorbereitung von Geflüchteten und Neuzugewanderten
Sprachkompetenz zu vermitteln und zu erlernen ist ein wichtiges Ziel der Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung von Geflüchteten. Wie Konzepte des integrierten Sprach- und Fachlernens dies unterstützen können, diskutierten die Teilnehmenden des Workshops.
Konzepte des integrierten Sprach- und Fachlernen – eine wissenschaftliche Expertise des Bundesinstituts für Berufsbildung
Anke Settelmeyer aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung stellte die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Expertise zu Konzepten des integrierten Sprach- und Fachlernens im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Programms „Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor. Besonders erfolgversprechend sind hier Ansätze, bei denen die Vermittlung von sprachlichem und fachlichem Wissen Hand in Hand geht. Aus fachlich-didaktischen Gründen ist dies sinnvoll, da fachliches Handeln immer auch sprachliche Anteile hat. Sprache wiederum ist der Schlüssel zur Aneignung fachlichen Wissens. Auch die Motivation zu lernen steigt, da die sprachlichen Kompetenzen vermittelt werden, die im Beruf unmittelbar gebraucht werden. Die Lehrkräfte setzen bei diesen Ansätzen bewusst Methoden zur sprachlichen Unterstützung des fachlichen Lernens ein. Sie berücksichtigen dabei auch die sprachlichen Aspekte des Fachlichen.
Beispielhaft stellte Anke Settelmeyer drei besonders gelungene Ansätze vor: die Berufsintegrationsvorklassen (BIK) in Bayern, die dualisierte Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Migrantinnen und Migranten (AvM-Dual) in Hamburg und das bundesweite Programm Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF). Sie resümierte, dass die Verzahnung von Fach und Sprache sich nicht von selbst ergibt, sondern sowohl im Konzept als auch in der Gestaltung bewusst hergestellt werden müsse: strukturell, personell, fachlich und methodisch-didaktisch.
Hemmnisse und Erfolgsfaktoren – Erfahrungen aus der Praxis
Jana Laxczkowiak von der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch, Dr. Karin Wullenweber von FRESKO e.V. und Martina Hoffmann vom bayerischen Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung referierten zu ihren Erfahrungen aus der Praxis. Jana Laxczkowiak arbeitet mit dem Konzept des integrierten Fach- und Sprachlernens im Kontext der Anerkennung ausländischer Qualifikationen. In vielen Fällen ist die Berufsausübung nur mit ausreichenden Fachsprachkenntnissen möglich. Hier bietet sich das Konzept des integrierten Fach- und Sprachlernens besonders an. Martina Hoffmann stellte ein Unterrichtskonzept vor: Im Unterricht werden Texte mit verschiedenen beruflichen Szenarien bearbeitet und gleichzeitig eine alltags- und berufsnahe Sprache vermittelt. Dr. Karin Wullenweber unterrichtet Deutsch für die Ausbildung und unterstützt bei sprachlichen Schwierigkeiten bis zur Abschlussprüfung und darüber hinaus.
Die Teilnehmenden diskutierten anschließend über Hemmnisse und Erfolgsfaktoren. Ein häufiges Problem ist, dass die (zukünftigen) Auszubildenden sich mündlich gut in Deutsch ausdrücken können, sich aber beim Lesen noch schwertun. Abhilfe schaffen hier die von Martina Hoffman vorgestellten Unterrichtmaterialien mit Textszenarien, die gezielt das Leseverständnis schulen. Weiterhin berichtete das Plenum, dass die Jugendlichen „oft praktisch sehr viel draufhaben, aber die sprachlichen Fähigkeiten fehlen“. Das würde dazu führen, dass Arbeitgeber Auszubildende einstellen, deren Deutschkenntnisse noch nicht für die Berufsschule ausreichen. Die Folge ist, dass viele die Abschlussprüfung nicht bestehen. Um dem vorzubeugen, bieten sich Ansätze an, die während der Ausbildung integriertes Fach- und Sprachlernen ermöglichen. Voraussetzung ist, dass die Arbeitgeber bereit sind, die Auszubildenden für die Unterrichtszeit freizustellen oder die Angebote nach Feierabend oder am Wochenende stattfinden. Eine gute Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure (Betrieb, Fachlehrkraft, etc.) ist hier förderlich. Ein hoher Flexibilitätsgrad, der eine Abstimmung passender Zeiten zulässt, ist außerdem wichtig. Auch hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung ist Flexibilität ein wichtiges Kriterium. Nur so ist eine Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und ein bedarfsorientierter Unterricht der meist sehr heterogenen Lerngruppen möglich.
Bildungssprache überdenken
Die Teilnehmenden des Workshops sprachen sich dafür aus, die in (Berufs-)Schulen und Prüfungen genutzte Bildungssprache zu vereinfachen. Dies komme nicht nur Personen zu Gute, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sondern auch anderen benachteiligten Gruppen. Ein Teilnehmender berichtete, dass bei ihm in der Region Prüfungsausschüsse eine Schulung zu Sprachsensibilität bei der Aufgabenerstellung erhielten. Die Resonanz hierzu war durchweg positiv: „Das Niveau leidet nicht, indem man sprachliche Hürden entschärft“. Jedoch gab es auch den Einwand, dass jede und jeder sich mit Bildungssprache auseinandersetzen sollte, denn nur hierüber hat man Zugang zur Aneignung weiterführenden Wissens.
Entwicklungsspielräume für die Zukunft
Für die Zukunft wünschten sich die Teilnehmenden, dass die vielen guten, bereits erarbeiteten Ansätze vermehrt genutzt, verstetigt und weiterentwickelt werden sollten. Ziel sollte eine Verknüpfung der verschiedenen Konzepte für eine durchgehende Sprachbildung sein. Bei der Weiterentwicklung sollte man auch mit den Geflüchteten selbst sprechen, was sie zum adäquaten Erlernen der deutschen Sprache brauchen.
Workshop 5: Unterstützung, Begleitung, Mentoring - individuelle Begleitung von Geflüchteten und Neuzugewanderten
Wie können junge Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund für die Ausbildung gewonnen und während der Ausbildung unterstützt werden? Wo liegen die Herausforderungen und welche Erfolgsfaktoren können definiert werden? Die Teilnehmenden diskutierten und tauschten sich zu diesen Themen aus und sind sich einig: Ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss benötigt Zeit, Vertrauen und in vielen Fällen externe Unterstützung.
Moderator André Grabinski, Bundesinstitut für Berufsbildung, wies in seiner Einführung auf die Dringlichkeit einer individuellen Unterstützung der jungen Menschen für eine gelingende Integration in Ausbildung bzw. Arbeit hin.
In zwei kurzen, fachlichen Vorträgen stellte Sina Gelbach das Projekt „Bildungscoaching für Jugendliche mit Fluchthintergrund (BiJu)“ vor und Sebastian Best von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade das Integrationsprojekt Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber (IHAFA).
Vorstellung erfolgreicher Unterstützungsformate
„Eine realistische Vorstellung zu den eigenen Fähigkeiten und dem angestrebten Beruf ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung“, sagte die Mitarbeiterin des Projekts BiJu, Sina Gelbach. BiJu unterstützt junge Menschen bei der Berufsorientierung und auf dem Weg in eine Ausbildung. Dazu gehören u.a. Informationen zu den beruflichen Möglichkeiten, Feststellung der Fähigkeiten und Stärken, eine intensive Vorbereitung auf die Ausbildung und auch eine engmaschige Betreuung während der Ausbildung.
„Die Motivation der Teilnehmenden muss gefördert und gestärkt werden“, betonte Sebastian Best in seiner Projektpräsentation. Dies wird im Projekt durch Kompetenzchecks, die gemeinsame Erstellung eines Perspektivplans und die Einbeziehung der Eltern bzw. Vormünder oder anderer Vertrauter erreicht. Das IHAFA – Integrationsprojekt Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber führt Maßnahmen zur Berufsorientierung und Kompetenzfeststellung durch, vermittelt in Praktika, Einstiegsqualifizierung und Ausbildung und berät und begleitet Geflüchtete sowie interessierte Handwerksbetriebe.
Herausforderungen und Best Practice im Austausch
Die Teilnehmenden tauschten sich anschließend in einer Gruppenarbeit zu den Herausforderungen und Bedarfen für die Unterstützung der Geflüchteten und Neuzugewanderten aus.
Als besondere Herausforderungen führten die Teilnehmenden vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen, die fehlenden Sprachkenntnisse (insbesondere Kenntnisse in der Fachsprache) und eine nicht ausreichende schulische Bildung an. „Es gibt zu große Unterschiede in den Lernniveaus, jeder Jugendliche muss individuell gefördert werden“, äußerte sich ein Teilnehmer. Auch die Mobilität, die Wege zur Berufsschule und zu den Unternehmen sahen die Teilnehmenden als Herausforderung. Die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel vor allem in den ländlichen Gebieten und den Flächenländern sei nicht ausreichend. Die Teilnehmenden wiesen zudem daraufhin, dass in den Zielregionen häufig eine Übersicht zu den aktuell laufenden Fördermöglichkeiten fehlen würde.
Eine realistische Vorstellung über die beruflichen Möglichkeiten und die Motivation sei ebenfalls ein wichtiger Faktor, den die Teilnehmenden erwähnten. „Die jungen Menschen müssen verständliche Regeln haben und sie müssen selber aktiv werden.“ Hierfür sei eine klare Struktur in der Begleitung erforderlich, die bei Bedarf unterstützt.
Zu den wichtigsten Unterstützungsinstrumenten gehört laut den Teilnehmenden ein aktives und stabiles Netzwerk. „Netzwerkarbeit braucht Zeit und Geduld“, so ein Teilnehmer. Wenn unterschiedlichste Partner zusammenarbeiten, müssen die Aufgaben klar verteilt werden und ein enger Austausch stattfinden, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Eine individuelle und enge Beratung fördere die Motivation und die aktive Selbstbeteiligung an der Umsetzung des Perspektivplans.
Fazit
Als ein Gelingensfaktor wurde die frühzeitige Informationsarbeit zur Wertigkeit, zu den Vorteilen und Aufstiegsmöglichkeiten einer dualen Ausbildung in Deutschland hervorgehoben. Weitere wichtige Faktoren sind der Einsatz von Vorbildern, wie beispielsweise Ausbildungsbotschafterinnen und -Botschafter sowie die Zusammenarbeit mit Eltern/Vormündern der Jugendlichen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass eine gute Beratung auch kontinuierliche Beziehungsarbeit bedeutet, da ohne Vertrauen seitens der Jugendlichen die Beratung oftmals ins Leere läuft.
Workshop 6: Programme auf dem Prüfstand: Wann sind Maßnahmen erfolgreich, um jungen Geflüchteten und Neuzugewanderten berufliche Orientierung zu geben und sie auf eine Ausbildung vorzubereiten?
Zahlreiche Integrationsmaßnahmen unterstützen Geflüchtete und Neuzugewanderte dabei, die Sprachbarrieren abzubauen, die Berufswelt kennenzulernen, auf eine Berufsausbildung vorzubereiten und während der Ausbildung zu begleiten. Die vier präsentierten Beispiele zeigen, dass die Ausrichtung und Ausgestaltung von Programmen sehr unterschiedlich ausfallen kann, die Erfahrungen in der Arbeit aber durchaus ähnlich sind.
Drei von vier Geflüchteten, die zwischen 2015 und 2016 nach Deutschland kamen, sind unter 30 Jahren. Viele Unterstützungsangebote zu beruflicher Orientierung, Sprachvermittlung und Integration in die Berufswelt wurden daraufhin neu initiiert und speziell auf die Förderbedarfe dieser Zielgruppe ausgerichtet. Eine Vielzahl von Programmen von Bund und Ländern am Übergang Schule-Beruf beraten und unterstützen Neuzugewanderte. Im Workshop wurde der Blick auf die Erfahrungen und Erfolge aus den Programmen gerichtet, um ableitend ein Zwischenfazit ziehen zu können und Empfehlungen zu formulieren.
Präsentation vier verschiedener Programme
Die im Workshop vorgestellten vier Programme zeigten auf, welche Auswirkungen unterschiedliche Voraussetzungen auf die Ausgestaltung der Programme haben. Die Referierenden stellten zudem die Erfolge der Programme dar und formulierten Empfehlungen für Anpassungen und Verbesserungen. Ahmed Barhdadi, Projektleiter Fachkräfteallianz bei der Handwerkskammer zu Leipzig, gab Einblicke in das Programm "Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)".
Über die Berufsintegrationsklassen (BIK) in Bayern ging es in dem Vortrag von German Denneborg, Abteilungsleiter für die Themen Berufliche Schulen, Erwachsenenbildung und Sport im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus.
Birgit Kruse, Referatsleiterin für den Themenbereich Übergangsmanagement und berufliche Qualifizierung am Hamburger Institut für Berufsbildung, stellte die Ausbildungsvorbereitung dual für Migranten (AvM-dual) in Hamburg vor.
Wie die Initiative „Wirtschaft integriert“ in Hessen Geflüchtete durch eine kontinuierliche Förderkette von der beruflichen Orientierung bis zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss unterstützt, führte Gudrun Reinhart, Referentin für Berufliche Bildung im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, aus.
Diskussion verschiedener Schwerpunkte in Arbeitsgruppen
In drei verschiedenen Arbeitsgruppen diskutierten und vertieften die Teilnehmenden die Themen: Zielgruppe und Zugang zu den Maßnahmen, Angebotsstruktur und Koordinierung vor Ort sowie Beratung und Begleitung und leiteten für die Handlungsfelder Empfehlungen ab.
Die Teilnehmenden kritisierten die fehlende Übersicht über die zahlreichen Programme und die unzureichende Nachhaltigkeit der oftmals zeitlich begrenzten Förderprogramme. Sie sprachen sich aus diesen Gründen insbesondere für eine Flexibilisierung der Regelstrukturen, beispielsweise durch Module anstelle gesonderter Angebote, für bestimmte Zielgruppen aus. Neben der Flexibilität wurde auch die Bedarfsorientierung als wichtiges Kriterium aufgeführt, das über den Erfolg einer Maßnahme bestimmt. Die Teilnehmenden führten als Nachteil an, dass in der Umsetzungspraxis „die Teilnehmenden an die Maßnahme und nicht die Maßnahme an die Bedarfe der Teilnehmenden angepasst würde.“ Niederschwellige Zugänge zu den Fördermaßnahmen, zum Beispiel unabhängig vom Status der Geflüchteten oder vom Alter, würde die Integrationsarbeit stärker fördern.
Kontinuierliche Begleitung vor allem im Übergang wichtig
„Beziehung statt Maßnahmenketten!“, und „langfristige Finanzierung statt Projektitis“, forderten viele Teilnehmende des Workshops. Die sozialpädagogische Betreuung für Neuzugewanderte, gutes Case Management und enge Zusammenarbeit mit der Zielgruppe seien entscheidend für eine erfolgreiche Beratungsstruktur. Eine Ansprechperson für möglichst alle Belange schaffe eine engere, verlässliche Beziehung zu der beratenden Person. Als Idee wurde der Einsatz einer Betreuungsmappe angeführt, welche für mehr Transparenz beim Transfer zum nächsten Schritt sorgen könnte.
Eine bedeutende Rolle nimmt das Ehrenamt bei der Unterstützung Geflüchteter ein. Hierbei ist eine gute Begleitung der Ehrenamtlichen durch Hauptamtliche wichtig. Zudem sollte ihre Unterstützungsarbeit gut vor- und nachbereitet werden. Eine Sensibilisierung zu den Grenzen der Beratungsleistung und Weiterleitungsstrukturen müsse erfolgen, so dass auch in Einzelfällen Klarheit besteht.
Neben der Kontinuität und Verlässlichkeit in der Begleitung war auch Thema, dass Integrationsprozesse mit jungen Geflüchteten Zeit benötigen. Ebenso wurde die Bedeutung professioneller Coaches und Beraterinnen und Berater hervorgehoben.
Regelangebote statt Sonderprogramme
Die Regelangebote müssten flexiblere Möglichkeiten der Ausgestaltung für den individuellen Fall ermöglichen, so dass weniger Sondermaßnahmen notwendig seien, so die Teilnehmenden. Neue Bildungsangebote erzeugten häufig Nachfragen und beförderten die Konkurrenz der Maßnahmen und Angebote. Dies ließe sich sowohl über eine verbesserte Koordinierung der Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen als auch durch eine verbesserte Abstimmung vor Ort in den Kommunen, die den Fokus auf individuelle Bedarfe richte, überwinden.
Öffnung und Flexibilisierung der Unternehmen für das Thema Integration
Wie gelingt es, dass die Unternehmen bei der Integration Geflüchteter mitmachen? Auch diese Frage wurde in einer der Arbeitsgruppen diskutiert. „Die Betriebe müssen von Anfang an besser mitgenommen werden. Die Betriebe und Schulen müssen enger zusammenarbeiten. Es ist wichtig, dass auch die Lehrkräfte sich mit dem Thema Migration identifizieren“, so German Denneborg. Für eine erfolgreiche Integrationsarbeit müsse eine Öffnung und Flexibilisierung der Unternehmen erfolgen. Eine Sensibilisierung über die Verantwortung für das Thema Migration und Integration sei dafür wichtig. „In Hessen gehen die Jugendlichen bereits nach vier Monaten in die Betriebe. Die Maßnahme wird sozialpädagogisch flankiert. Dadurch erfolgt eine umfassende Betreuung bis zum Eintritt in das Berufsleben“, berichtete Gudrun Reinhart. Unternehmensakquise für die Praktika und Ausbildungen erfolgt in der Regel über die Kammern, die Wirtschaftsförderungen und über Kaltakquise. „Klinkenputzen ist nötig und wichtig“, äußerte sich Birgit Kruse und teilt damit die Erfahrungen aus der Umsetzungspraxis in Hamburg mit.
Workshop 7: Gemeinsam lernen in heterogenen Gruppen
Geflüchtete kommen nicht nur aus unterschiedlichen Herkunftsländern, sondern ihre Lebenserfahrungen und Bildungsniveaus sind oft sehr unterschiedlich. Entsprechend heißt es, diese Heterogenität dann zu berücksichtigen, wenn es darum geht, Angebote zum Deutschlernen oder zur Eingliederung in die Schul- und Berufsbildung zu schaffen. Wie dies gelingen kann, wurde im Workshop diskutiert.
Erfolgsmodelle des gemeinsamen Lernens in heterogenen Gruppen
Anna Burmeister vom Bundesinstitut für Berufsbildung führte die Teilnehmenden in den Workshop ein. In drei kurzen Inputs stellten die Referentinnen und Referenten unterschiedliche Projekte vor. Michael Stenger beschrieb die Arbeit der SchlaU-Schule und des Anschlussprojektes SchlaU-Übergang Schule-Beruf. Diese bieten schulanalogen Unterricht und auch Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf für Geflüchtete an. Die Geflüchteten durchlaufen zu Beginn eine Sprach- und Wissensdiagnostik und werden dann in durchlässige Klassenstufen eingeteilt. Ein Wechsel zwischen diesen ist ganzjährig möglich, um dem individuellen Lernfortschritt gerecht zu werden. Weitere Erfolgsfaktoren sind Teamteaching, intime Lernräume, ein geregelter Alltag, stabile Bezugspersonen und auf die Bedürfnisse und Lebenswelt der Geflüchteten angepasste Lehrmaterialien. Aber „das A und O im Umgang mit heterogenen Gruppen sind fleißige Lehrer, die Gruppen- statt Frontalunterricht anbieten“, so Michael Stänger.
Catrin Gäde vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands gemeinnütziger e.V., stellte die Produktionsschule Plus MSE/VR vor. Diese zielt darauf ab, Jugendliche mit und ohne Fluchthintergrund bei der Berufsorientierung zu unterstützen und diese so zu stärken, dass sie eine Ausbildung aufnehmen können. In einer Kombination aus Arbeiten in einer betriebsnahen Umgebung und Lernen, vertiefen die Jugendlichen ihre beruflichen, sozialen und sprachlichen Kompetenzen. Die Heterogenität der Gruppe wird genutzt, indem Jugendliche sich gegenseitig Wissen vermitteln. Das Konzept sieht zudem Teamteaching vor und nutzt einfache Sprache.
Wie unterstützt die Einstiegsqualifizierung (EQ) plus Jugendliche? Darum ging es in dem Vortrag von Miguel Blotzki-Martinez, Handwerkskammer Koblenz. In der EQ-Maßnahme lernen junge Menschen durch die Mitarbeit in Betrieben die betriebliche Praxis und das Arbeitsumfeld kennen. Bei EQ plus berufsschulvorbereitendem Spracherwerb besuchen die Jugendlichen parallel zur EQ einen Sprachkurs. Um den heterogenen Bedürfnissen und zeitlichen Verfügbarkeiten gerecht zu werden, findet dieser modular statt.
Herausforderungen und Grenzen von Heterogenität
In der anschließenden Gruppenarbeit diskutierten die Teilnehmenden über Herausforderungen und Grenzen bei der Arbeit mit heterogenen Gruppen: Zum einen muss der Über- oder Unterforderung der Einzelnen vorgebeugt werden. Dies erfordert besondere Sorgfalt bei der Erstellung der Lehrpläne und der Vorbereitung des Unterrichts, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern müssen die Lehrenden die individuellen Potentiale und Bedürfnisse richtig einschätzen und zugleich Problemlagen, wie z.B. Traumata, berücksichtigen. Heterogene kulturelle Hintergründe und Entwicklungsstufen können zu Konflikten zwischen den Jugendlichen führen. Aber auch die eigenen Grenzen und die des Angebots müssen allen Beteiligten bekannt sein. Darum ist die Vernetzung mit Stellen, an die bei weiterführendem Handlungsbedarf verwiesen werden kann, sehr wichtig. Um auf diese Bedarfe vorzubereiten, braucht es spezielle Fortbildungen für das Lehrpersonal. All diese zusätzlichen Herausforderungen führen zu einem erhöhten Personal- und Ressourcenbedarf.
Heterogenität eröffnet auch Chancen
Aus der hohen Bedürfnisvielfalt ergeben sich ebenso vielfältige Herausforderungen. Die Teilnehmenden des Workshops waren sich jedoch einig, dass die Vorteile überwiegen. Schülerinnen und Schüler können auf unterschiedlichste Weise von der Heterogenität der Gruppe profitieren: Sie lernen den respektvollen Umgang mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Dadurch stärken sie ihre Toleranz, interkulturelle Kompetenz und allgemein ihre sozialen Kompetenzen. Schwächere Schülerinnen und Schüler lernen von den anderen durch Nachahmung und Vergleich. Die stärkeren Schülerinnen und Schüler hingegen können in gewissen Situationen die Expertenrolle, z.B. in Lerntandems oder als Mentorinnen und Mentoren, einnehmen und den Schwächeren helfen. So festigen auch sie ihr Wissen, erlernen Verantwortung zu übernehmen und erfahren Erfolgserlebnisse durch die Übernahme einer (angemessenen) Rolle in der Gruppe.
Gelingensfaktoren des Lernens in heterogenen Gruppen
Was sind Bedingungen für das Gelingen des gemeinsamen Lernens in heterogenen Gruppen? Im Plenum einigte man sich auf folgende Punkte: Zu Beginn muss eine gute Wissens- und Sprachstandsdiagnostik stehen, damit die einzelnen entsprechend gefördert werden können. Dies sei wichtig, um auf die unterschiedlichen Heterogenitätsniveaus in den jeweiligen Lerngruppen einzugehen. Sind die Unterschiede zwischen den Lernenden zu groß, kann dies zu Frustration bei den Jugendlichen führen. Bei unzureichenden Deutschkenntnissen sollte keine EQ in einem Betrieb begonnen werden, da der Jugendliche beispielsweise wichtige Sicherheitshinweise nicht richtig verstehen könnte. Im Unterrichtsalltag muss dann auf ein ressourcenorientiertes Arbeiten, angenehme Lernbedingungen und eine Pädagogik der Anerkennung geachtet werden. Letztlich müsse auch den pädagogischen Fachkräften die Bedenken vor heterogenen Gruppen genommen werden. Eine erfolgreiche Arbeit in heterogenen Gruppen bedeutet auch, Fach- und Lehrkräften pädagogische Methoden für ihre Arbeit zu vermitteln.
Workshop 8: Berufliche Integration von geflüchteten Frauen
In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der geflüchteten Frauen deutlich gestiegen. Dennoch sind sie in Angeboten der Sprachförderung und in berufsbezogenen Angeboten stark unterpräsentiert. Welche Rahmenbedingungen und Förderinstrumente braucht es, damit die Integration gelingen kann?
Mit Johanna Ullmann vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück, Ruth Weckenmann von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, und Anine Linder vom Verein berami berufliche Integration aus Frankfurt, gaben drei Expertinnen aus den Bereichen Politik, Gesellschaft und Wissenschaft mit kurzen Beiträgen Einblicke in das Themenfeld der Integration von geflüchteten Frauen. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurde darüber diskutiert, wie die Integration von Frauen gelingen kann.
„Die Fokussierung auf geflüchtete Frauen ist neu. Vor dem Zuzug 2015 und 2016 hat es Bildungsketten (Fotograf: Gesa Aschoff)um Projekte für diese Zielgruppe gegeben“, bemerkte Johanna Ullmann vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS). Derzeit liegen in Deutschland 600.000 Asyl-Erstanträge geflüchteter Frauen vor. Deren Bildungsbiographien sind sehr heterogen: Auf der einen Seite bringen sie vergleichbare schulische, universitäre und berufliche Qualifikationen mit wie geflüchtete Männer und eine hohe Motivation für einen höheren Schulabschluss und die berufliche Bildung. Auf der anderen Seite gibt es viele Frauen mit wenig schulischer und beruflicher Bildung.
Wo fängt die Integrationskette an?
Für Ruth Weckenmann von der Bundesagentur für Arbeit ist die Stabilisierung der persönlichen Situation und die Bearbeitung der traumatischen Erlebnisse eine grundlegende Voraussetzung für die berufliche Integration von geflüchteten Frauen. Wir benötigen dafür frauenspezifische Angebote – und zwar flächendeckend. „Wichtig ist auch ein geschützter Raum für von Gewalt betroffene Frauen“, ergänzte Anine Linder vom Verein berami berufliche Integration. Der Verein unterstützt geflüchtete Frauen bei der Entwicklung einer beruflichen Perspektive und bietet umfassende und individuelle Beratung, Deutschförderung und sozialpädagogische Betreuung an. Die Angebote sind dabei an den individuellen Bedarfen der Zielgruppe orientiert. Herausfordernd sei, so Linder, die Erreichbarkeit der Frauen. Die Zielgruppe habe wenig Zugang zu Informationen, zumeist wegen sprachlicher Barrieren. Aufsuchende Beratung sei wichtig. „Bei der Beratung kommt es auch darauf an, wie Informationen vermittelt werden“, fügte Linder hinzu. Kultursensibilität spiele dabei eine wichtige Rolle.
Integration heißt immer Kinderbetreuung
Die Integration kann nur gelingen, wenn die Kinderbetreuung gewährleistet ist. Dies ist bei weitem nicht immer der Fall. „Frauen brechen Maßnahmen ab oder haben Fehlzeiten, weil die Kinder krank sind bzw. weil die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist“, erklärte Weckenmann. Sie plädierte dafür, eigene Maßnahmen in kleinen Gruppen mit Kinderbeaufsichtigung für geflüchtete Frauen anzubieten. Der Vorteil ist, dass auch die Kinder hinsichtlich ihrer (Sprach)Entwicklung davon profitieren. Weckenmann ging noch einen Schritt weiter: „Integration ohne Frauen geht nicht. Familien können sich ohne Frauen nicht integrieren, denn die Beteiligung der Kinder am Bildungssystem wird nur dann erreicht, wenn die Frauen zum Bildungssystem stehen.“
Es braucht Zeit und einen langen Atem
Damit die geflüchteten Frauen nicht zu Bildungsverliererinnen werden, müssten Sprach- und Integrationsangebote sowie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen niedrigschwellig und auf die Bedarfe dieser heterogenen Zielgruppe zugeschnitten sein, forderte Weckenmann. Es gibt einen großen Bedarf an Teilqualifizierung, Teilzeitangeboten und Teilzeitsprachkursen sowie Möglichkeiten zum Nachschulen. Bislang fehlen Maßnahmen für qualifizierte Frauen und für junge ungebundene Frauen. Auch für Frauen, die bislang kein Interesse in die Integration in den Arbeitsmarkt bekunden, z.B. ältere Frauen, gibt es Bedarf. „Förderung und Vernetzung untereinander macht die Inanspruchnahme verschiedener Maßnahmen leichter“, erklärte Linder. Sie riet, eine langfristige Perspektive im Blick zu behalten, die Förderung als Investition in die Zukunft zu sehen und dies auch den Frauen zu vermitteln. Dafür brauche es viel Zeit und einen langen Atem, aber auch gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit.
Erfahrungen haben gezeigt, dass ehrenamtliche Angebote gut funktionieren. Ullmann wies auf die Vorteile der ehrenamtlichen Projekte hin: geringe Bürokratie, leichter Zugang und hohes Vertrauen. Die ehrenamtliche Arbeit spielte zu Beginn der Zuwanderung 2015 und 2016 eine große Rolle, die positiven Erfahrungen sollten dazu führen, dass ehrenamtliche Angebote weiterhin wertgeschätzt und genutzt würden, fügte Linder hinzu.
Fazit
Wie sieht nun eine sinnvolle Förderkette aus? „Wir brauchen eine Förderkette mit aufeinander aufbauenden Maßnahmen, die sich an eine heterogene Zielgruppe richtet und finanziell abgesichert ist“, resümierte Moderatorin Maria Schwarz vom Bundesinstitut für Berufsbildung. „Dabei dürfen wir weder die qualifizierten, noch die jungen Frauen ohne Kinder vergessen. Sie dürfen genauso wenig durchs Netz fallen wie Analphabetinnen, die wenig Zugang zu Informationen haben. Sehr wichtig sind dabei auch die Familienstrukturen, also müssen wir auch die Familien mit ins Boot holen.“