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Schulverweigerer und erwachsene Frauen mit Migrationshintergrund für Ausbildung gewinnen : Datum:

Geflüchteten und Zugewanderten eröffnet das Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)“ den Weg in eine Berufsausbildung. Wie dies besonders gut gelingt und verschiedene Zielgruppen angesprochen werden können, zeigte das Online-Seminar für BOF-Träger am 15. März 2023.

Gruppenfoto von BOF-Teilnehmern vor dem Bildungszentrum Handwerk in Duisburg
© Audrey Tassi

BOF richtet sich an Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht mehr schulpflichtig sind. Die BOF-Kurse vermitteln die Fachsprache und Fachkenntnisse für ausgewählte Ausbildungsberufe in Lehrwerkstätten oder Betrieben. Neben dem Fachlichen spielt auch die Motivation eine wichtige Rolle.

Praxis und zielgruppengerechte Ansprache motiviert sogar Schulverweigerer

„Wir vermitteln den Jugendlichen, dass sie gebraucht werden“, betont Samet Yetik, BOF-Projektleiter im Bildungszentrum Handwerk (BZH) der Kreishandwerkerschaft Duisburg, in seinem Vortrag. Mit den BOF-Kursen spricht das BZH junge Menschen an, die größtenteils keinen Hauptschulabschluss erreicht hätten. Darunter sind auch Schulverweigerer aus den Herkunftsländern Rumänien, Bulgarien, Serbien und Polen. Die jungen Männer waren mit dem theorielastigen Unterricht im Berufskolleg häufig überfordert und daher nicht mehr motiviert, die Schule zu besuchen.

BOF-Teilnehmer in Elektro-Werkstatt
© Audrey Tassi

Über einen parallel laufenden Teilzeitkurs bei BOF haben die jungen Männer nun die Möglichkeit, die Praxis kennenzulernen und sind stolz darauf. „Sie haben Fotos von sich mit Schutzausrüstung auf ihren Instagram-Seiten gepostet. Alle kommen fast jeden Tag und sind begeistert dabei“, erzählt Yetik über die ehemaligen Schulverweigerer. „Wichtig ist für sie, den richtigen Beruf zu finden. Bei uns können sie verschiedene Berufe ausprobieren.“ Neben der Praxis stehen bei BOF auch die Erweiterung der Sprachkenntnisse sowie Softskills wie Sozialkompetenz auf dem Programm. Als Arbeitgeberverband hat das BZH gute Kontakte zu Betrieben, sodass Praktika, Einstiegsqualifizierungen (EQ) und Ausbildungsplätze einfacher vermittelt werden können. Samet Yetik geht davon aus, dass die meisten Teilnehmer eine Einstiegsqualifizierung oder eine reguläre Ausbildung beginnen können, wenn sie weiterhin wie bisher mitarbeiten.

Warum viele Jugendliche mit Migrationsgeschichte dem Ausbildungsmarkt verlorengehen

Einige Jugendliche mit Migrationshintergrund starten keine Ausbildung, selbst wenn sie in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Samet Yetik führt mehrere mögliche Gründe hierfür auf. Manche hätten sich ohne Erfolg beworben und bereits nach wenigen Versuchen aufgegeben. Sie glaubten keine Chance wegen ihrer Zuwanderungsgeschichte zu haben. Andere setzten auf falsche Berufe, klammerten sich an ihrem Traumberuf fest oder bewarben sich nur bei ein oder zwei Großunternehmen vor Ort. Gegenüber kleineren Handwerksunternehmen hätten sie hingegen Vorurteile. Als weiteren Grund gibt Yetik den Lifestyle an. Einige Jugendliche mit Migrationshintergrund lehnten eine Ausbildung ab, weil sie sofort Geld verdienen wollen. Sie bevorzugten daher eine Beschäftigung in einer Zeitarbeitsfirma gegenüber einer Ausbildung – die langfristige berufliche Perspektive und die Möglichkeit der individuellen Förderung gehen somit verloren.

Gelungene Ansprache von Musliminnen

Aufgrund seiner Herkunft und Sprachkenntnisse fiel es Samet Yetik leicht, eine weitere Zielgruppe zu erschließen. Nicht zuletzt über das Türkische Konsulat gelang es ihm, auch muslimische Frauen anzusprechen. Das Konsulat informierte unter anderem über Facebook und Instagram über die BOF-Kurse und das Thema Ausbildung. Schnell verbreiteten sich die Informationen über Social Media-Kanäle, WhatsApp-Gruppen und Moscheen. Auch ältere Frauen und Mütter konnten auf diesem Wege erreicht und für Ausbildungsberufe im Verkauf und Alltagsdienstleistungen gewonnen werden. Acht befreundete türkischsprachige Frauen meldeten sich bei dem BZH. Zweifel an ihren Fähigkeiten und ihrer Eignung konnte Samet Yetik ihnen nehmen und sie für die Teilnahme motivieren. „Wir achten darauf, dass sich alle bei uns wohlfühlen“, sagt Yetik. „Wichtig für die Musliminnen war zum Beispiel das Halal-Siegel auf dem Menüplan, aber auch die Achtung und der Respekt untereinander in der Gruppe.“

Mütter haben klare Ziele

An Erwachsene im Alter von 25 bis 40 Jahren, die keine berufliche Ausbildung haben, richtet sich auch das Berufsbildungszentrum (Bbz) Mönchengladbach. Seit Oktober 2022 gibt es eine Kampagne insbesondere für Frauen. „Die Teilnehmerinnen sind sehr motiviert und wissen genau, was sie wollen“, erzählt Georg Wolf, BOF-Projektleiter im Bbz, bei dem Online-Seminar.

Seit Herbst 2022 unterstützt seine Kollegin Lilit Danielyan die BOF-Kurse. Sie ist vor wenigen Jahren nach Deutschland gekommen und kann daher Frauen mit Migrationserfahrung besonders gut ansprechen. „Viele wissen nicht, welche Optionen sie haben und dass es eine Teilzeitausbildung gibt. Unser Ziel ist es, die Frauen in eine Ausbildung oder Einstiegsqualifizierung zu vermitteln oder in eine abschlussorientierte Weiterbildung“, sagt Danielyan. Über das BOF-Angebot und das Thema Anerkennung informiert sie unter anderem in Familiengrundschulzentren, wo sich Eltern mit und ohne Migrationshintergrund treffen – auch über Flyer in Einfacher Sprache. Ein wichtiger Ort sind hier Mütter- und Elterncafés, die auch Brüder, Schwestern und andere Verwandte besuchen. Die 12 Familienzentren in Mönchengladbach bieten einen geschützten Raum mit angenehmer, vertraulicher Atmosphäre. Hier erzählt Lilit Danielyan den Eltern von Grundschülerinnen und Grundschülern, wie sie selbst gut in Deutschland ankommen konnte.

Viele BOF-Teilnehmende des Bbz sind inzwischen Erwachsene über 30 Jahre. Das Durchschnittsalter beträgt aktuell 27 Jahre, die Frauenquote liegt etwas über 50 Prozent. Die Betriebe bilden gerne Menschen mit Lebenserfahrungen aus. Das Alter ist für sie kein Problem, sondern vielmehr ein Vorteil. Die verborgenen Sprachkenntnisse werden durch den BOF-Kurs wieder aktiviert und erweitert. Erwachsene Frauen beschränken sich nicht auf einen einzigen Traumberuf, sondern wollen mit der Berufsentscheidung vor allem etwas zum Familieneinkommen beitragen. An einem BOF-Kurs teilnehmen zu dürfen, betrachten sie als Geschenk. Der hohe Anteil von lebenserfahrenen Frauen in den BOF-Kursen wirkt sich insgesamt positiv auf die Gruppendynamik aus. Mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Disziplin spornen sie sich untereinander an, sodass es einen positiven Wettstreit gibt und das Niveau des Kurses insgesamt gestiegen ist.

Über BOF

Bundesweit bieten derzeit über 50 BOF-Träger Kurse zur Beruflichen Orientierung an, die bis zu 26 Wochen dauern können. Die Kurse bereiten die Geflüchteten und Zugewanderten schrittweise auf eine Ausbildung vor und begleiten sie kontinuierlich. Teilnehmen können auch Interessierte mit deutscher Staatsangehörigkeit, wenn neben der Beruflichen Orientierung auch sprachliche Unterstützung notwendig ist.

An BOF-Kursen haben seit September 2016 fast 7.000 Geflüchtete und Zugwanderte mit besonderem Unterstützungsbedarf teilgenommen. Jährlich werden somit im Durchschnitt über 1.000 Personen auf eine Ausbildung vorbereitet – auch während der Corona-Pandemie.

Das Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)“ hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis Ende 2023 gefördert. Von 2024 bis 2027 wird das BOF-Programm als "Berufliche Orientierung für Personen mit Flucht- und Migrationserfahrung (BOFplus)" fortgeführt.

Links

BOFplus im Bildungszentrum Handwerk Duisburg

BOFplus im Berufsbildungszentrum Mönchengladbach

bofplus.de

Artikel: Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte“ (BOF) ist großer Erfolg