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Handlungskonzept STEP Schleswig-Holstein – Inklusives Coaching für junge Menschen am Übergang Schule – Beruf

Berufliche Perspektiven entwickeln und auf eine Ausbildung vorbereiten: Das Handlungskonzept STEP begleitet junge Menschen in Schleswig-Holstein am Übergang Schule – Beruf. Dabei verfolgt das Land einen inklusiven Ansatz. Das Coaching unterstützt Schülerinnen und Schüler der Flexiblen Übergangsphase sowie junge Menschen mit Behinderung gleichermaßen.

Coachin mit Flex-Schülerin, die auf Whiteboard schreibt
Ulrike Steinke begleitet Flex-Schülerinnen und Schüler in Kiel © BIBB/berlin-event-foto.de/Oliver Görnandt-Schade

STEP steht für Selbsteinschätzung, Training, Entwicklung und Perspektive. Es umfasst ein Coaching ab der achten Klasse, das sich an Schülerinnen und Schüler der Flexiblen Übergangsphasen an allgemeinbildenden Schulen richtet. Zur Zielgruppe gehören zudem Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf Lernen, geistige Entwicklung, autistisches Verhalten, körperlich und motorische Entwicklung sowie Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Sehen und Hören an allgemeinbildenden Schulen, einem regionalen Berufsbildungszentrum und in (Landes-)Förder-zentren.

Oftmals stellt die rehaspezifische berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) einen Zwischenschritt dar, bevor die Schülerinnen und Schüler anschließend in die berufliche Ausbildung starten. Für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung kommt darüber hinaus auch der Einstieg in die berufliche Bildung der Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Frage. Hier haben sie die Möglichkeit, mit mehr Sicherheit in den ersten allgemeinen Arbeitsmarkt einzusteigen, indem sie zunächst die Möglichkeit eines Außenarbeitsplatzes in Anspruch nehmen. STEP wird in der Förderperiode des Europäischen Sozialfonds Plus 2021 – 2027 (ESF Plus) durch die Europäische Union und das Land Schleswig-Holstein finanziert.

Flexible Übergangsphase bedeutet, dass die letzten beiden Schuljahre auf drei Jahre verteilt werden.  Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler ein Jahr mehr Zeit, um den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) abzulegen. In eine Flex-Klasse aufgenommen werden Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschulen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen.

Sehr gute Anschlussperspektiven für Flex-Schülerinnen und Schüler

Auf ihrem Weg zur Ausbildung erhalten die jungen Menschen Unterstützung durch die Coaching-Fachkräfte des Handlungskonzepts STEP. Des Weiteren sorgen die Fachberaterinnen und Fachberater der örtlichen Integrationsfachdienste für eine individuelle Betreuung der Jugendlichen mit Behinderungen. Die Lehrkräfte machen Vorschläge, wer für eine Begleitung in Frage kommt. Eine Teilnahme ist freiwillig. Landesweit sind rund 100 Coaches an rund 180 Schulen im Einsatz. Eine Personalqualifizierung sorgt dafür, dass die Coaches für ihre Aufgaben geschult sind.

Ulrike Steinke ist seit 2009 als zertifizierte Coachin bei der Perspektive Bildung gGmbH im Ausbildungsverbund Kiel tätig. Die Sozialpädagogin betreut gemeinsam mit ihrer Kollegin Sibel Harmanci 42 Flex-Schülerinnen und Schüler an zwei Kieler Schulen. „Die Anschlussperspektiven der begleiteten Schülerinnen und Schüler sind zu 99 Prozent gesichert. Viele finden nach dem Schulabschluss eine Ausbildungsstelle in der Region“, sagt Steinke. Grund hierfür ist eine praxisorientierte Ausrichtung der Flex-Klassen. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, mehrere Praktika in verschiedenen Unternehmen und Berufsfeldern zu absolvieren.

Coaching besteht aus sieben Modulen zur Beruflichen Orientierung

Die Aufgaben der Coaches sind in sieben Module zur Beruflichen Orientierung gegliedert. Ziel ist es, berufsbezogene und persönliche Kompetenzen zu stärken. Am Anfang einer Begleitung geht es darum, ein Vertrauensverhältnis zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. „Meine Grundhaltung den Schülerinnen und Schülern gegenüber ist positiv. Da ich keine Noten geben muss, kann ich Bedürfnisse individuell berücksichtigen, ganz ohne Leistungsdruck“, so Steinke.

Die Coaches fragen, wo Stärken und Interessen liegen, welche Berufe bekannt sind und in welchen Berufsfeldern ein Praktikum interessant sein könnte. Sie unterstützen die Schülerinnen und Schüler dabei, in Stellenbörsen nach freien Praktikums- und Ausbildungsplätzen zu suchen. Sie stellen gemeinsam Bewerbungsunterlagen zusammen, üben Telefonanrufe und trainieren Vorstellungsgespräche. Im Fach Wirtschaft-Politik (WiPo) informieren sie rund um das Thema Ausbildung und Beruf.

Bei der Begleitung stimmen sich die Coaches mit den Lehrkräften, Eltern und Fachkräften der Berufsberatung ab. „Die Zusammenarbeit läuft sehr gut“, sagt Birgit Graßmay, Flex-Lehrerin für Berufliche Orientierung an der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule mit Grundschulteil in Kiel.

Begleitung von Förderschülern und Förderschülerinnen mit Schwerpunkt Lernen

Das Handlungskonzept STEP bereitet zudem Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf den Übergang Schule – Beruf vor. Das Ziel ist eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Unterrichtet werden die Förderschülerinnen und Förderschüler in der Regel an den Gemeinschaftsschulen, zusammen mit den Schülerinnen und Schülern der Flex-Klassen. Flex-Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf Lernen, die nicht Teil einer Flex-Klasse sind, kommen eventuell an der gleichen Schule in unterschiedlichen Klassen unter. Dahinter steht der Gedanke, durch Inklusion eine gleichberechtigte Teilhabe im Schul- und Berufsleben zu ermöglichen.

Andreas Bahnsen vom Ausbildungsverbund Kiel ist als Coach für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen zuständig. Eine Begleitung beginnt in der neunten Klasse und dauert ein Schuljahr. Besprochen werden Fragen wie: Welche Fähigkeiten hat der junge Mensch? Was ist das Fähigkeitsprofil? Und welche Anforderungen stellen die Berufe, die die Schülerinnen und Schüler im Blick haben? Sind diese Punkte geklärt, startet die Suche nach einem passenden Schülerpraktikum, das zwei Wochen dauert. Bahnsen informiert über die Anschlussperspektiven einer Berufsvorbereitung oder eines Ausbildungsvorbereitenden Jahres (AVJ) an einem regionalen Bildungszentrum. Die Schülerinnen und Schüler der Flex-Klassen werden aktiv in Ausbildung vermittelt als Anschlussperspektive nach dem Schulabschluss. Bei den Schülerinnen und Schülern mit Förderschwerpunkt Lernen, die nicht in einer Flex-Klasse unterrichtet werden, liegt der Schwerpunkt auf der Berufsvorbereitung oder dem AVJ.

„Der Fachkräftemangel hat dazu geführt, dass die Betriebe viel offener geworden sind. Sie haben erkannt, dass auch Förderschülerinnen und Förderschüler die Fachkräfte von morgen sein können“, so Bahnsen.

Für diese jungen Menschen ist eine Fachpraktikerausbildung eine gute Chance, um auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Ausbildungsinhalte orientieren sich an den anerkannten Ausbildungsberufen. Ein hoher Praxisanteil zeichnet diese Ausbildung aus. Für die Theorie sind geringere Kenntnisse erforderlich, sie werden in reduziertem Umfang in der Berufsschule vermittelt. Die Ausbildungsdauer beträgt je nach Bildungsgang zwei bis dreieinhalb Jahre. Vorgeschaltet ist eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB), ein Angebot der Agentur für Arbeit. In Kiel findet die Fachpraktikerausbildung in einem Kooperationsverbund statt. Zu den Partnern zählen die Agentur für Arbeit, ein Betrieb, die Berufsschule und ein Bildungsträger, der eine pädagogische Begleitung, Lernförderung sowie Stützunterricht während der Ausbildung gewährleistet.

Förderschülerinnen und Förderschüler mit Schwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung sowie autistisches Verhalten, Sehen und Hören

Nicola Roggensack vom Integrationsfachdienst Kiel begleitet Förderschülerinnen und Förderschüler mit Schwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung sowie Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt autistisches Verhalten, Sehen und Hören. Diese Schülerinnen und Schüler können zum Beispiel nur eingeschränkt sehen oder hören, zeigen autistisches Verhalten, sind körperlich motorisch oder in ihrer geistigen Entwicklung beeinträchtigt. Die Begleitung findet an Förderzentren, allgemeinbildenden Schulen sowie am Regionalen Berufsbildungszentrum – überwiegend in Unterrichtsform – statt und läuft bis zum Abschluss der jeweiligen Schulform. Sie zielt darauf ab, die jungen Menschen in den ersten allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.

„Trotz unterschiedlicher Beeinträchtigungen, die aus den unterschiedlichen Förderschwerpunkten resultieren, erhalten alle Schülerinnen und Schüler die Chance, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt auszuprobieren. Das Praktikum ist dabei ein zentraler Aspekt“, erklärt Roggensack.

Die Coaches bearbeiten mit den jungen Menschen Themen zur Beruflichen Orientierung individuell. Und sie unterstützen bei der Suche nach geeigneten Praktikumsplätzen. „Die Betriebe kläre ich darüber auf, was die verschiedenen Einschränkungen bedeuten und was die Schülerinnen und Schüler können und was nicht“, so Roggensack. In jedem Berufsfeld gibt es bestimmte Tätigkeiten, die Förderschülerinnen und Förderschüler ausüben können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Klein- oder Großbetrieb handelt.

Am ersten Arbeitstag eines Praktikums geht Roggensack mit in den Betrieb. Gerade zu Beginn ist es für die Schülerinnen und Schüler wichtig, dass sie in der ungewohnten Umgebung eine vertraute Ansprechperson in der Nähe haben. „Ich bleibe solange bei ihnen, wie es notwendig ist. Das kann zehn Minuten dauern. Einmal habe ich ein ganzes Praktikum in einer Teeküche verbracht, damit ich im Hintergrund immer greifbar war“, erzählt Roggensack.

In einem Abschlussgespräch mit dem Betrieb werden die Erfahrungen im Praktikum gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern reflektiert. Dabei informiert Roggensack über die Möglichkeiten und Vorteile für die Betriebe, die Schülerinnen und Schüler in den Betrieb zu integrieren. Es kommt nicht selten vor, dass den Schülerinnen und Schülern nach einem Praktikum eine Vollausbildung angeboten wird. Hier ist es Aufgabe der Coaches, die Betriebe aufzuklären und Alternativen für ein Zusammenkommen der Schülerinnen und Schüler und Betriebe zu arrangieren. Oder auf Institutionen, wie den Ausbildungsverbund, die Agentur für Arbeit, die Eingliederungshilfe und den Fachdienst Betriebliche Integration der Werkstätten für Menschen mit Behinderung hinzuweisen.

Autistische Schülerinnen und Schüler häufig ohne Ausbildungsplatz  

Eine Herausforderung ist die Vermittlung von autistischen Schülerinnen und Schülern. Hier fehlen die entsprechenden beruflichen Anschlussperspektiven, weiß Roggensack aus Erfahrung. Oftmals sind diese Schülerinnen und Schüler sehr jung, wenn sie von der Schule abgehen. In einer Ausbildung sind sie auf weitere Unterstützung angewiesen, bleiben häufig aber unversorgt. „Das ist sehr schade, weil diese jungen Menschen großes Potenzial haben“, bedauert Roggensack.

Bei Förderschülerinnen und Förderschülern mit Schwerpunkt Lernen kann es vorkommen, dass die Eltern einen Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) anstreben, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. „Meistens hapert es an Mathematik“, so Coaching-Fachkraft Bahnsen. Er versucht die Eltern davon zu überzeugen, dass ein Förderschulabschluss und eine Fachpraktikerausbildung der bessere Weg sein kann.   

Wie eine Begleitung gelingt

Damit der Übergang in Ausbildung gelingt, braucht es vor allem Zeit, um Beziehungen aufbauen zu können – zu den Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Netzwerkpartnern. STEP räumt den Coaches die notwendige Zeit ein. „Zudem braucht es gute Räumlichkeiten an der Schule, um in Ruhe arbeiten zu können“, sagt Coaching-Fachkraft Steinke. Eine digitale Ausstattung an Schulen ist wichtig, damit Schülerinnen und Schüler nach Informationen im Internet suchen können. Es erfordert gute Kenntnisse des regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes und einen Überblick über Bildungsangebote. Über die Jahre ist ein großes Netzwerk entstanden. „Entscheidend ist eine gute Zusammenarbeit mit allen Partnern“, ergänzt Roggensack. Die Integration in das System Schule ist ein weiterer Aspekt. „Als Coaches kommen wir von außen und sind auf die Unterstützung der Lehrkräfte angewiesen“, so Steinke.

Hohe Übergangsquote in Ausbildung durch STEP

Das Handlungskonzept STEP trägt dazu bei, dass mehr junge Menschen den Weg in eine Ausbildung finden. Das erste Coaching-Programm wurde bereits 2007 durch das Land Schleswig-Holstein gestartet. Mit dem Start des neuen Programms STEP 2021 wird die Inklusion weiter gestärkt. Landesweit lag die Übergangsquote im Jahr 2022 bei 29,35 Prozent. „Die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben sich verbessert“, sagt Coaching-Fachkraft Steinke. Somit sind noch bessere Chancen für die Schülerinnen und Schüler zu erwarten.

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Handlungskonzept STEP

Übergang Schule – Beruf in Schleswig-Holstein